Gegenseitige Unterordnung in der Bibel - eine feministische Sicht
- Dr. Franziska Kruppa
- 9. Apr.
- 5 Min. Lesezeit
Immer wieder erreichen mich Fragen zum Thema "Unterordnung" in der Bibel. Für gewöhnlich wird Epheser 5, 21ff. zitiert mit der Anmerkung, dass hier die Bibel doch "ganz klar" die Unterordnung der Frau verlange. Doch was bedeutet es, wenn Paulus in Epheser 5, 21ff. von der Unterordnung schreibt?
Dieser Frage gehen wir im Folgenden auf den Grund. Wir untersuchen Wortbedeutung sowie Kontext und kommen am Ende des Beitrags zu einer Zusammenfassung, die eine Antwort gibt auf die Frage, wie dieses Bibelwort heute in unseren Alltag sprechen könnte.
1. "Einander"
2. Wortbedeutung "Unterordnen" im Grundtext
3. Kontext
4. Zusammenfassung
Hier geht es nicht um Hierarchie
1. "Einander"
DER ERSTE VERS ZU BEGINN DER SOGENANNTEN "CHRISTLICHEN HAUSTAFEL" STARTET MIT DEN WORTEN:
"Ordnet euch einander unter" (Epheser 5, 21). Schon allein deshalb kann hier kein hierarchisches Ordnungsverhältnis gemeint sein. Denn wenn einer über der anderen steht - wie soll er sich dann gleichsam auch ihr unterordnen können? Steht er nun über oder (auch) unter ihr?
Gern wurde in früheren Zeiten ein Schaubild bedient (und wird es teilweise immer noch), das Christus oben stehend zeigte, darunter den Ehemann und darunter die Ehefrau. Das Auge verstand schnell: A ha, die Frau steht also unter dem Mann.
Würden wir nur den Vers 22 lesen, ergäbe das auch erst einmal eventuell Sinn, denn dort steht: Ihr Frauen, ordnet euch euren Männern unter. Aber wir haben ja nicht so gelesen. Wir haben den Anfang zuerst gelesen. Und der Anfang gibt gewissermaßen das Grundprinzip vor: Sich einander unterordnen.
Ein hierarchisch strukturiertes Schaubild wird diesem Grundprinzip nicht gerecht. Ich mag die Idee von Sarah Staub, die sie mir einmal in diesem Zusammenhang schrieb: Lass uns das doch als Kreis sehen. Ja, ein Kreis wird der gegenseitigen Unterordnung wohl am ehesten gerecht. Es ist ein Miteinander und gegenseitiges "Unterordnen", kein "Darüber" und "Darunter".
Diese Gegenseitigkeit verblüfft angesichts der Entstehungszeit des Textes, denn das damalige (antike) Denken war patriarchal und damit von hierarchischen Strukturen geprägt. Eigentlich passt so der Text also nicht und es wäre viel logischer, wenn wir von einer hierarchischen Ordnung ausgehen würden. Dann könnten wir uns in einem zweiten Schritt fragen, inwieweit das als allgemein gültige Regel (für alle Zeiten quasi) anzusehen ist oder ob diese Zeilen einfach kulturell bedingt sind.
Aber diesen zweiten Schritt braucht es m. E. nicht, da der Text aus sich heraus aufzeigt, dass es nicht um eine hierarchische Ordnung geht, wie insbesondere auch die Wortbedeutung im Griechischen deutlich macht:
2. Wortbedeutung "Unterordnen" im Grundtext WAS ABER MEINT PAULUS, WENN ER VON "UNTERORDNUNG" SPRICHT?

Wenn wir die heutige Bedeutung des Verbs "unterordnen" im Bedeutungswörterbuch des Duden nachschlagen, dann lesen wir dort: sich in eine bestimmte Ordnung einfügen und sich nach dem Willen, den Anweisungen eines anderen oder den Erfordernissen richten.
Je nach Prägung kann sich das mehr oder weniger bedrohlich anfühlen. Hier ist wieder wichtig, unseren ersten Punkt oben nicht zu vergessen, dass es nämlich um ein gegenseitiges Unterordnen geht. Es ist wie ein liebevolles Wechselspiel in einem Kreis.
Im Griechischen steht hier das Wort hypotasso, wobei die grammatische Form des Medium benutzt wird (Quelle: Elberfelder Studienbibel mit Sprachschlüssel und Handkonkordanz).
Diese grammatische Form betont eine innere Beteiligung und Freiwilligkeit des Handelnden. Demnach ist von einer inneren Haltung der Frau ihrem Mann gegenüber die Rede - nicht von einem Recht des Mannes, Unterordnung einfordern oder gar erzwingen zu können. Das bedeutet, dass es hier gerade nicht um ein Machtverhältnis im Sinne einer hierarchischen Ordnung geht. Der Schwerpunkt liegt auf der Freiwilligkeit. Und Freiwilligkeit geschieht grundsätzlich im Rahmen von Gleichberechtigung - nicht im Rahmen von Hierarchien und Machtstrukturen.
Es bei "Unterordnung" in diesem Sinne nie um eine Wertigkeit im Sinne von höher oder minder wertig. Es geht gerade nicht um eine hierarchische Struktur und meint keinesfalls Unterdrückung (Quelle: Richards, Alle Frauen der Bibel, 12. Aufl. Ulm 2021, S. 264ff.).
Insofern sollten wir hier nicht unser deutsches Begriffsverständnis vom "sich Unterordnen" gebrauchen, das wir in der Regel mit hierarchischen Strukturen im Sinne einer "Über-/ Unterordnung" verbinden. Hier nämlich gibt es schon gar kein "Über".
3. Kontext STELLEN WIR DEN VERS IN EINEN GRÖßEREN ZUSAMMENHANG,
um besser zu verstehen, was diese Art der gegenseitigen Unterordnung für uns bedeutet:
In Epheser 5, 23 begründet Paulus seine Aufforderung damit, dass er schreibt: Denn der Mann ist das Haupt der Frau, wie auch Christus das Haupt der Gemeinde ist.
Für "Haupt" steht im Grundtext das griechische Wort kephale, das jemanden als Führer oder Leiter bestimmt in Liebe und Aufopferung (Quelle: Elberfelder Studienbibel mit Sprachschlüssel und Handkonkordanz). Dieser Mensch hat also das Wohlergehen der anderen Person im Sinne und schätzt sie wert.
Wieder könnten wir - je nach Prägung - sofort an ein hierarchisches Verhältnis denken, in dem die eine Person bestimmt und die andere folgt. Immerhin verbinden wir das mit einem "Führer" und "Leiter", oder? Jesus aber lehrte uns etwas anderes, zu dem Paulus hier den Vergleich zieht. Jesus opferte sich selbst, gab sein Leben hin und auf und nahm stets eine dienende Haltung voller Wohlwollen und Sanftmut ein.
Erneut rufen wir uns auch Punkt 1 in Erinnerung: Es geht um ein gegenseitiges Miteinander, nicht darum, dass einer bestimmt und die andere widerspruchslos ausführt. Ich frage mich an dieser Stelle auch, warum eigentlich stets von der "Unterordnung der Frau" gesprochen wird, aber niemals von der "Unterordnung des Mannes" - obwohl das doch hier genau so steht.
Ebenso ist interessant, was mit dem bildlichen Vergleich des Hauptes gemeint sein könnte (nachzulesen bei Annegret Braun, Warum Eva keine Gleichstellungsbeauftragte brauchte): Wogegen wir mit "Haupt" heute unseren Kopf und evt. das Gehirn verbinden, das denkt und lenkt und besonders wichtig ist, stand "Haupt" zu Paulus' Zeiten für die Quelle des Lebens.
So könnte dieses Bild zum Beispiel heißen, dass der Ehemann eine Quelle ist für seine Frau, indem er sie in ihren Träumen und Zielen unterstützt, damit sich ihr Leben entfaltet. "Haupt" hat hier also nichts mit "Chefsein" zu tun.

Stellen wir den Text in einen noch größeren Zusammenhang und werfen einen Blick ins Alte Testament, dann macht die Gegenseitigkeit auch dort durchaus Sinn.
In der Schöpfungsgeschichte zum Beispiel wird kein Über-/ Unterordnungsverhältnis angeordnet. Vielmehr lesen wir von einer Gleichwertigkeit und auch Ähnlichkeit von Adam und Eva (z. B. "Bein von meinem Bein und Fleisch von meinem Fleisch" in 1. Mose 2, 4).
Auch im Buch der Sprüche und dort im Kapitel 31 wird eine Beziehung auf Augenhöhe beschrieben, wo beide Partner*innen jeweils aufblühen können.
Wenn du magst, studiere doch gern dieses Kapitel ausführlich mit unserem Workbook. Du wirst überrascht sein, wie fortschrittlich und feministisch sowie alltagstauglich der Text gelesen werden kann.
4. Zusammenfassung
ES NIMMT DOCH WUNDER,

was teilweise in diesen Text hinein interpretiert und missverständlich gelehrt wurde (und stellenweise noch immer wird).
Der Text gibt der Wortbedeutung nach und im Kontext gesehen kein hierarchisches Verständnis her. Es geht hier gerade nicht um eine Über- und Unterordnung, denn von einem "Über" ist gar nicht die Rede. Vielmehr geht es um eine gegenseitige sowie wechselseitige Respekts- und Liebesbeziehung.
Die Partner*innen begegnen sich dort auf Augenhöhe, sind eigenständig, haben bestimmt jeweils Träume und Ziele im Leben und unterstützen sich gegenseitig und wechselseitig.
Dahinter steht die Liebe, die von freiem Willen und Wohlwollen geprägt ist. Ein Wesensmerkmal der Liebe ist, dass sie nicht unterdrückt oder gering schätzt. Sie missbraucht nicht und übt nicht "Macht" oder Gewalt aus. Sie fordert nicht ein und erzwingt nicht.
Wie schön ist es, wenn wir uns gegenseitig so begegnen!
Stay encouraged and blessed and have fun!
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