Könnte es sein, dass Menschen, die sich scheiden lassen, keine Egoisten sind, sondern ein gebrochenes Herz haben?
Ich saß auf der Treppe und sah die Menschen um mich herum ausgelassen feiern. In meiner Brust war ein Schmerz, der drohte, mir die Kehle hochzuklettern. Meine Mädels hatten mich ablenken wollen und waren mit mir feiern gegangen. Früher wäre ich die erste gewesen, die auf den Tischen getanzt hätte – auch ohne Alkohol. Aber an diesem Abend gab es nichts zu feiern für mich. Ich hatte mich von dem Mann getrennt, mit dem ich in einer toxischen Verbindung gelebt hatte. Ich liebte ihn noch und ich wollte einfach nur, dass er mich auch liebte. Ihn zu verlassen, war hart für mich. Aber ich wusste, dass es keine Hoffnung für uns gab.
Mein Herz war gebrochen, weil der Mensch, den ich liebte und von dem ich geglaubt hatte, dass er mich auch liebte, mich immer wieder zurückgewiesen hatte.
Mich zu trennen, war eine Entscheidung. Eine Entscheidung für meine seelische Gesundheit.
Ich musste erkennen, dass ich meinen Mann nicht dazu bringen konnte, mich zu lieben.
Oder anders gesagt: Ich wusste, dass er mich liebte. Aber diese Liebe war irgendwie blockiert. Sie kam nicht bei mir an. Viele Jahre hatte ich alles in meiner Macht Stehende getan, um den Eisblock in seinem Inneren schmelzen zu lassen, damit seine Liebe endlich frei fließen konnte. Ich kämpfte für diese Liebe, die keine Chance hatte, bis ich irgendwann verstand, dass ich nicht Gott bin. Auch keine Heilige. Ich bin nur eine normale Frau mit normalen Bedürfnissen.
Ja, Gottes Liebe vermag alles zu ertragen, der Mensch aber nicht. Ich konnte es nicht länger ertragen, ohne die Liebe zu leben, die ich mir so sehr wünschte. Und erkannte selbst nicht, dass die Liebe, die ich gab, nicht das war, was mein Mann brauchte. Irgendwie hatte ich das Gefühl, es sei meine Aufgabe, ihn zu retten, zu heilen, seinen inneren Eisblock schmelzen zu lassen. doch das überstieg völlig meine eigene Kompetenz. Das war eine Sache zwischen ihm und Gott und nicht meine.
Ihn an dieser Stelle loszulassen, hatte etwas damit zu tun, ihn und seinen Prozess zu respektieren und gleichzeitig für mich zu sorgen.
Für mich führte diese Erkenntnis dazu, dass ich damit aufhörte, um die Liebe meines Mannes zu kämpfen, und mich für mich selbst entschied. Ich hatte zu lange geglaubt, dass es an mir lag und ich mir nur mehr Mühe geben müsste. Schließlich glaubte ich, es einfach nicht wert zu sein, geliebt zu werden – bis ich endlich erkannte, dass jeder Mensch in sich Zugang zu der Quelle von Gottes Liebe hat. Dass Gott mich liebt und ich somit nicht mehr um die Liebe eines anderen Menschen buhlen muss. Dass ich gehen darf. Nicht, weil mein Mann an allem schuld gewesen wäre, sondern weil ich es wert bin, geliebt zu werden und Liebe zu erleben. Und zu lernen, was es wirklich bedeutet, einen anderen Menschen zu lieben.
Immer wieder habe ich diese eine Aussage gehört: Liebe ist eine Entscheidung. Und das stimmt in gewisser Hinsicht auch. Schließlich ist Liebe mehr als Schmetterlinge im Bauch und eine rosarote Brille auf der Nase. Und es gibt sicher Phasen in einer Ehe, da fühlen wir die Liebe nicht, obwohl sie noch da ist. Und dann ist es wichtig, nicht sofort alles hinzuschmeißen, sondern an der Entscheidung, die man füreinander getroffen hat, festzuhalten.
Nur gibt es einen Punkt, an dem unsere Kraft erschöpft ist. Und bei mir war dieser Punkt erreicht, als mein Herz brach, weil ich erkannte, dass unsere Liebe verloren war. Ein gebrochenes Herz ist so viel schmerzhafter als Fehler, die wir machen, furchtbarer als jede Enttäuschung und beschämender als jedes Scheitern.
Wie Joe Reynolds in einem Brief an Brené Brown formulierte: »In einer Beziehung kann es auch Fehler geben – und es gibt sie mit Sicherheit … aber die Fehler haben nicht das gebrochene Herz verursacht. Das Herz bricht, wenn die Liebe verloren geht. Ein gebrochenes Herz kann die Folge sein, wenn der Mensch, den wir lieben, uns zurückweist« (aus: Brené Brown, Laufen lernt man nur durch Hinfallen – Wie wir durch Scheitern zu echter innerer Stärke finden).
Ja, ich glaube, christliche Ehepartner sind aufgefordert, einander zu vergeben, sich zu versöhnen, ihre Einstellungen und Verhaltensweisen zu verändern und an der Erhaltung ihrer Ehe mit allen ihnen zur Verfügung stehenden Mitteln zu arbeiten (Kolosser 3, 12-14), auch unter Einbeziehung eines Eheberaters oder Paartherapeuten.
Meiner Erfahrung nach steckt in dieser Aussage, Liebe sei eine Entscheidung, aber manchmal auch die Unterstellung, dass die beiden Ehepartner einfach nicht genug wollen und es deswegen nicht klappt. Sie müssten sich doch einfach nur entscheiden. Aus meiner Sicht lässt dieser Ansatz völlig außer Acht, dass wir als Menschen natürliche Grenzen und beschränkte Ressourcen haben. Diese können sehr unterschiedlich verteilt sein. Ich glaube inzwischen, dass jeder Mensch zu jeder Zeit sein Bestes gibt – gemessen an den Ressourcen, die er zu diesem Zeitpunkt zur Verfügung hat. Keiner kann von außen beurteilen, wann die Mittel einer Person erschöpft sind.
Die Ansicht, dass Liebe letztlich nur eine Entscheidungsfrage sei, hatte ich schon als Jugendliche verinnerlicht. Und es dauerte lange, bis ich mich von dieser Haltung löste und meine unfruchtbaren Versuche, diese Liebe per Entscheidung zu erzwingen, aufgeben konnte. Aber nach und nach wurde mir klar, dass Scheidung im geistlichen Sinne nichts anderes ist als die Anerkennung der »Un-Einheit« einer Ehe und dass sie moralisch gerechtfertigt ist, wenn die eheliche Einheit nicht (wieder)
herzustellen ist. Die Gründe dafür sind sehr vielfältig und umfassen so viel mehr als sexuelle Untreue.
Für mich war diese Anerkennung und Akzeptanz der »Un-Einheit« meine Lebensrettung. So lange ich so tat, als wäre da noch Hoffnung, wo keine war, hatte ich keine Chance zu der Wahrheit durchzudringen, dass ich geliebt und wertvoll bin. Erst als ich entschied, diesen Mann und diese Ehe nicht über mein eigenes Wohl zu stellen, bekannte ich meinen Glauben an Gott – an seine Stimme der Liebe, die sagt, dass ich unendlich wertvoll bin. Und das war der Anfang meiner Glaubensreise, die mich zurück zu mir selbst und an das Herz eines liebenden Gottes brachte.
Ich bin übrigens Tina (Christine Poppe mit vollem Namen) und freue mich, dass du meinen Gastbeitrag hier bei franletters liest! In meinem Buch über die Zeit meiner Scheidung und das Wieder-Heil-Werden habe ich einige Themen aufgegriffen, die für manche Christen heute ein Thema sind: Inwiefern müssen sich Frauen unterordnen? Was sagte Jesus wirklich über Ehescheidung? Wie kann ich einen erwachsenen mündigen Glauben entwickeln? Eigene Spiritualität und Therapie. Nicht, weil ich mich gern vor andern nackig mache, sondern weil ich einen Traum habe, für den ich los gehe. Vielleicht kannst du ihn verstehen oder teilst ihn sogar mit mir:
„Ich träume von Gemeinschaften, und seien sie noch so klein, in denen Menschen einander mit Mitgefühl begegnen, anstatt sich gegenseitig zu verurteilen. In denen wir uns die Hand reichen, anstatt einander in den Rücken zu fallen. In denen wir gehalten werden, wenn wir das Gefühl haben zu fallen. Und in denen Liebe über Regeln steht und Wertschätzung über Versagen. […] Dieser Traum kommt nicht von ungefähr. Denn in den dunkelsten Zeiten meines Lebens fühlte ich mich zutiefst einsam. Und diese Einsamkeit war noch schlimmer als all das Furchtbare, was tatsächlich passiert
war. So möchte ich mich nie wieder fühlen. Und ich möchte auch nicht, dass andere sich so fühlen. Deswegen schreibe ich dieses Buch.“
Mit Liebe geschrieben
TINA
WER IST CHRISTINE?
Christine Poppe ist Autorin, Coachin, Contentcreatorin und Mama.
Auf Christines Blog kannst du zum Beispiel lesen, wie du mit unangenehmen Gefühlen umgehen kannst. Auch erzählt Christine dort, was ihr an miesen Tagen in der Kinderwunschzeit geholfen hat.
Du hast dort außerdem kostenfreien Zugang zu einer Imagination, die Entlastung und Entspannung schenken kann. Vielleicht möchtest du dich auch mit Christine auf Instagram treffen?
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