Was ist eigentlich "Sünde"? Was meint die Bibel mit diesem Begriff? Ist die Definition davon wirklich so einfach, wie es mitunter scheint?
Auf Instagram bekomme ich hin und wieder eine Nachricht, die „ganz eindeutig“ wissen will, dass im Leben eines anderen Menschen Sünde vorliegt und auf diese Sünde hingewiesen werden müsse. Doch ist es wirklich so „ganz eindeutig“, was „Sünde“ ist und was nicht? Und sind wir aufgerufen, darauf hinzuweisen?
Lass uns das mal genauer anschauen.
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1) Begriff der Sünde allgemein
2) Altes Testament
3) Neues Testament
4) Jesus
5) Zusammenfassung
Was ist eigentlich Sünde?
1) Begriff der Sünde allgemein SOWOHL DAS ALTE ALS AUCH DAS NEUE TESTAMENT KENNEN JEWEILS MEHRERE WÖRTER FÜR DEN BEGRIFF DER SÜNDE.
Die Bibel nennt zum Beispiel "Verfehlung", "Auflehnung", Krümmen", "Schuld", "Abirren", "Ungehorsam" oder "Gesetzlosigkeit" als Wörter, die im Deutschen mit "Sünde" oder "sündigen" wiedergegeben werden.
Schon das zeigt, dass "Sünde" gar nicht so einfach zu fassen und es schwer ist, etwas als solche zu definieren oder nicht.
Zu behaupten, dass etwas "ganz klar" Sünde sei, ist also an sich schon problematisch.
2) Altes Testament
VERSTOß GEGEN DIE GÖTTLICHE ORDNUNG
Im Alten Testament meint Sünde in ihrem Kern und Wesen immer: An dir allein habe ich gesündigt (Psalm 51, 6). So bezieht sich Sünde im Alten Testament vor allem auf Ge- und Verbote im gottesdienstlich- kultischen Leben. Aber auch aus der Verfehlung im rein (zwischen-)menschlichen Bereich wird ein Verstoß gegen die göttliche Ordnung.
Wenn das Alte Testament "Sünde" beschreibt, dann geht es hierin im Kern immer um Ungehorsam und Schuld gegenüber Gott. Wer Sünde tut, lebt demnach gottlos.
Warum ist diese Klärung wichtig? - Weil deutlich wird, dass sich Sünde als solche (auch in Gestalt zwischenmenschlichen Fehlverhaltens) allein in der Beziehung zwischen Gott und mir abspielt. Wenn allein die Beziehungsebene zwischen Gott und mir betroffen ist, warum stören wir uns dann so sehr daran, wenn ein anderer Mensch unserer Meinung nach Sünde tut?
3) Neues Testament
BEI DER SÜNDE HANDELT ES SICH IM KERN UM EIN MISSTRAUEN GEGENÜBER GOTT UND NICHT UM DAS NICHTEINHALTEN VON GEBOTEN.
So erklärt Paulus in Römer 14, 23, dass alles Sünde ist, was nicht aus Glauben/ Vertrauen kommt.
Damit wird der Sündenbegriff sehr weit gefasst und stellt gleichzeitig auf eine subjektive, eine innere Komponente ab.
Was subjektiv, also im Inneren eines anderen Menschen vor sich geht, können wir von außen aber nicht wissen und auch nicht beurteilen. Da können wir nur Mutmaßungen anstellen. Doch ist das unsere Aufgabe?
Wenn das Neue Testament die Sünde vor allem als Abwendung von Gott versteht und deshalb zur Umkehr aufruft, dann geht es auch hier zuvorderst um die Beziehungsebene zwischen mir und Gott. Es geht um meine Herzenseinstellung und mein Vertrauen Gott gegenüber, das meinen Lebensstil beeinflusst. Es geht aber gerade nicht darum, blind irgendwelche Regeln zu befolgen oder nicht zu befolgen.
4) Jesus
JESUS ÜBERWINDET DIE SÜNDE DURCH VERGEBUNG IM AUFTRAG GOTTES.
Jesus stellt uns kein System vor, in das wir Sünde klar kategorisieren könnten. Darum scheint es ihm auch gar nicht zu gehen. Er ist es nicht, der ständig irgendwelche Regeln anspricht und erklärt, wie das im Leben so zu laufen hat. Für ihn gehört Sünde einfach zur Lebenswirklichkeit der Menschen dazu, ohne Sünde dadurch zu verharmlosen.
Aber durch sein Verhalten zeigt er zum Beispiel bei der "Ehebrecherin", die auf frischer Tat ertappt worden war (nachzulesen ist diese Geschichte in Johannes 8), dass es nicht unsere Aufgabe ist, Verfehlungen im Leben anderer Menschen anzuzeigen oder gar zu verurteilen: "Wer ohne Sünde ist, der werfe den ersten Stein."
Vielmehr sieht Jesus immer den Mensch ganz individuell an und spricht mit der Person über ihr ganz persönliches Leben, über ihr Herz. Pauschalisierungen vermeidet er genauso wie Verurteilungen.
5) Zusammenfassung
SÜNDE GEHT MICH NUR IN MEINEM EIGENEN LEBEN ETWAS AN.
Das ist meine zusammenfassende These. Who am I to judge? Wenn Jesus nicht verurteilt, wie könnte ich das dann tun?
Wenn ich also in den Sozialen Medien lese oder eine persönliche Nachricht bekomme, dass das Verhalten eines anderen Menschen "ganz klar" Sünde wäre, dann muss ich mit meinem jetzigen Kenntnisstand darauf antworten:
Sünde ist nicht immer "ganz klar".
Außerdem ist es nicht meine Aufgabe, das im Leben eines anderen Menschen anzuzeigen.
Gott hat uns doch nicht als Denunziant:innen bestellt und sie ist auch nicht darauf angewiesen, dass wir für göttliches Recht eintreten. Wo also nicht ein anderer Mensch Schaden nimmt oder das Recht eines anderen Menschen verletzt oder bedroht wird, sehe ich keinen Auftrag, Sünde im Leben meines Mitmenschen anzuzeigen.
Disclaimer: Dieser Blogbeitrag erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit und spiegelt meinen aktuellen Kenntnisstand wieder, der offen ist für Entwicklung. Folgende Literatur habe ich für die Ausarbeitung dieses Beitrags herangezogen: Stuttgarter Erklärungsbibel, Deutsche Bibelgesellschaft, Stuttgart 2023; Rienecker, Fritz u.a. (Hrsg.), Lexikon zur Bibel, SCM Holzgerlingen, 6. Aufl. 2023.
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